Cuoricini, Cuoricini und italienischer Alltag mit A2
- maikebuchholz
- 21. Feb.
- 4 Min. Lesezeit

Nun ist es zwei Wochen her seit dem letzten Beitrag, und das ruft in Erinnerung, dass wir hier ja nicht (nur) zum Spaß sind. Viel Arbeit ist viel Arbeit, egal, wo man sich gerade befindet. Das heißt manchmal dann auch nicht nur Nine to Five, und alles andere tritt ein wenig in den Hintergrund.
Was gibt es denn Neues aus Siracusa?
Die letzte Woche stand für viele in ganz Italien im Zeichen des San Remo Festivals. Eine Veranstaltung, die sich dem italienischen Liedgut widmet, so eine Art nationaler ESC, aber viel länger. Es gab in diesem Jahr 29 Interpretinnen und Interpreten, die an fünf aufeinanderfolgenden Tagen gegeneinander antraten, und die Zuschauer entscheiden dann mit Anrufen, wer gewinnt. In den letzten beiden Jahren haben wir das Festival zwar wahrgenommen, aber nicht reingeschaut. Das wollten wir in dieser Saison ändern und wenigstens ein bisschen mit dabei sein.
Der Bums geht Dienstag bis Samstag immer um halb Neun abends los, passend wird in italienischen Familien dann zu Abend gegessen und über die verschiedenen Interpreten diskutiert.
Wir haben uns die ersten vier Tage gespart und sind Samstagabend um halb 12 eingestiegen. Meine Vermutung war, dass wir die letzte halbe Stunde sehen, den Schnelldurchlauf und dann die Punktevergabe und die Siegerehrung. Nun, ich sollte mich irren - zu der Uhrzeit war gerade Sänger Nummer 16 von 29 dabei, noch einmal den eigens für das Festival komponierten Titel anzustimmen. Damit war klar, dass die Veranstaltung mit Werbung und Zwischendurch-Auftritten von Altstars erst weit nach Mitternacht endet. Ok, zu lange für uns, aber wenigstens haben wir vier Titel gehört, darunter den späteren Überraschungssieger „Olly“ mit dem Lied „Balorda nostalgia“ (bittere Nostalgie) und ein Duo namens „Coma_cose“ mit „Cuoricini, Cuoricini“ (Herzchen), ein harmloses Pop-Liedchen, das vom Publikum frenetisch bejubelt und mit zu Herzen geformten Händen gefeiert wurde. Das reichte uns, wir machten den Fernseher aus, gingen zu Bett und vergaßen das alles gleich wieder bis zum nächsten Nachmittag, wo wir im Fußballstadion saßen: Bei jedem Tor wurde „Cuoricini, Cuoricini“ über die Lautsprecher eingespielt, die Zuschauer von kleinem Kind bis hin zum erwachsenen Mann stimmten ein und formten Herzchen (es gab viele Tore, Siracusa gewann 7-0). Ich sag mal, das scheint ein Hit zu werden, den alle Sommertouristen dieses Jahr in Italien häufiger hören dürften. Wer es sich anhören möchte: Cuoricini (Achtung: Ohrwurmgefahr)
Apropos Herzchen – letzte Woche war auch Valentinstag, auf Sizilien eine große Sache. Überall stehen Blumenstände, bei denen man Rosen und Herzchen (!) und Süßigkeiten kaufen kann. Die Geschäfte sind entsprechend dekoriert, sogar die Apotheken rüsten auf und werben mit allerlei Tand.
Letztes Jahr haben Kolja und ich das erste Mal diesen Tag begangen und waren auf einem Konzert mit anschließendem Menü (zum Nachlesen: https://www.maikes-workation-in-sizilien.com/post/san-valentino-ein-tag-der-premieren) und das hätten wir dieses Jahr auch wieder machen können. Ein Blick auf die Speisekarte des Abends beerdigte jedoch alle Vorhaben. Risotto und Steinpilze – beides Dinge, die es auf meiner Liste der Lebensmittel niemals geben wird. Früher ging es mit der ganzen Familie in die Pilze, ein Heidenspaß, und abends wurde die Beute geputzt, gebraten und eingefroren. Eine Portion gab es natürlich sofort, und die wabbelige Konsistenz plus Geruch haben ein für allemal die Beziehung zum Edelpilz ruiniert.

Also brauchte es Alternativen, und so gingen wir in das Restaurant „Soul Kitchen“ – eine Tapas Bar, auf italienische Weise interpretiert. Wir hatten glücklicherweise reserviert, der Laden war voll, eine lebhafte, fröhliche Atmosphäre und Serviceleute, die uns herzlich begrüßten und bewirteten, eine Ausnahme, ansonsten sind die Gastronomen hier eher, sagen wir, zurückhaltend freundlich. Es war lecker und mir machte es am meisten Spaß, die Menschen um mich herum zu beobachten. Neben uns ein junges Pärchen, er überreichte ihr die vorbestellten Rosen, die bereits auf dem Tisch lagen, als sie eintraten. Dann wurden erst einmal für eine längere Zeit Bilder gemacht mit Rosen und Lächeln, ein verträumter Blick, alles extrem instagramtauglich und sehr süß. An der Theke gegenüber ein Trupp Frauen, die – für italienische Verhältnisse eher ungewöhnlich – einen Cocktail nach dem anderen zischten und minütlich ausgelassener wurden. Ein Laden ganz nach unserem Geschmack, da gehen wir bestimmt noch einmal hin.
Und ansonsten haben wir uns hier richtig eingelebt, mit allen Hindernissen, die es natürlich gibt. Unsere Italienischkenntnisse sind besser geworden, aber noch weit davon entfernt, entspannt zu sein. Den Moderator beim San Remo Festival konnten wir schon gut verstehen, und wenn die Menschen langsam mit uns sprechen, geht es auch. Und für das Einkaufen, den kleinen Schwatz mit dem Käsehändler über das letzte Fußballspiel, das Bestellen im Restaurant haben wir schon eine ganze Reihe an Vokabeln in petto. Schwierig wird es immer dann, wenn es kulturelle Gepflogenheiten gibt, die wir nicht kennen. Vor ein paar Tagen war ich in einer Apotheke an der Piazza Euripide, um ein Medikament zu erwerben. Die erforderlichen Vokabeln hatte ich gelernt und mit herrlichem deutschem Akzent vorgetragen: „Guten Abend, Signora, ich hätte gerne das Medikament Soundso.“ Dazu ein freundliches Lächeln. Die Apothekerin schaute mich an, guckte kurz in ihren Computer und meinte dann: „Tut mir leid, das haben wir nicht“. Ich war irritiert, da es sich um ein Allerweltsmedikament handelte. Es entstand eine unangenehme Stille – ich überlegte verkrampft, wie ich sagen könnte, ob sie es bestellen könnte und nach einer sehr langen Pause und mit Hilfe des Übersetzungsprogrammes bekam ich das dann hin. Sie schaute ein weiteres Mal in ihren Rechner und siehe da, ja, sie konnte es bestellen und am nächsten Tag konnte ich es abholen.
Dieses kleine Verkaufsgespräch hinterließ bei mir eine Menge Fragezeichen. Warum hat sie nicht gleich verkaufstüchtig gefragt, ob sie es bestellen soll? Ist das in Italien nicht üblich? Oder was ist der Grund? (Falls jemand von euch das weiß, meldet euch, ich bin wirklich daran interessiert, wie es sich damit verhält). Und so gibt es bestimmt noch eine Menge anderer Regeln, die niemand aufgeschrieben hat und die wir hier so nach und nach noch lernen müssen. Aber es gibt eine Regel, die wir kennen und nicht einhalten (können), no matter what: In unserer Stammbar um die Ecke bestellen wir auch nachmittags einen Cappuccino.










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