Verliebt, verlobt, verheiratet? Beziehungsupdate mit Siracusa und Erinnerungen, die keine sind
- maikebuchholz
- 5. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Wochenende! Das beginnt bei uns schon am Freitag und ich genieße es wirklich sehr, dass drei freie Tage vor uns liegen. Vormittags bin ich im Schwimmbad, heute als erste für gut 30 Minuten alleine im Wasser, herrlich, später gesellt sich Lucia dann noch dazu.

Für nachmittags haben wir uns einen etwas größeren Spaziergang vorgenommen, wir wollen noch mal zur FeliCittà – eine kleine Siedlung, die jemand für die wildlebenden Katzen erbaut hat. Diverse Katzenkörbe, Unterschlüpfe und Spielgeräte bieten den dort ansässigen Tieren wirklich so etwas wie eine Heimat. Täglich kommt jemand vorbei, füttert die Katzen, macht die Schälchen sauber und stellt frisches Wasser hin. Das rührt uns jedes Mal an, wenn wir dort vorbeigehen, soviel Engagement, oft von Leuten, die nicht aussehen, als wenn sie mit Reichtum gesegnet sind.
Der Weg hinter der Katzenstadt führt am Wasser entlang, auf den Klippen einer Steilküste, wenn man nach rechts schaut Meer soweit das Auge reicht.

Geht der Blick nach links, sieht man ein kleines Jena-Lobeda a la Siciliana, Wohn-Hochhäuser, immerhin mit Meerblick, aber nichts für den Naturliebhaber. Dazu gibt es an vielen Stellen das sizilianische Extra: Müll.

Die Italiener, die wir kennen, sind alle äußerst penibel, haben Wohnungen, die immer picobello aussehen und sehr gepflegt sind. Dieser Anspruch scheint allerdings vergessen zu sein, sobald man das Haus verlässt.
Während wir weiterwandern überlege ich, warum es mich dieses Jahr stört, dass an praktisch jeder Ecke etwas auf der Straße und den Bürgersteigen liegt.
Hat es damit zu tun, dass ich im ersten Jahr schockverliebt umherging und alles toll fand, was mir begegnete („der blaue Himmel, die Sonne, das Essen, die Menschen“), sodass ich wie in einer frischen Beziehung alles durch die rosarote Brille betrachtet habe? Letztes Jahr bin ich mit tiefer Liebe durch die Stadt spaziert, der morbide Charme der alten Häuser, an denen der Putz abblättert (und der dann da liegen bleibt, wo er hingefallen ist), erschien mir als Inbegriff von Schönheit und Geschichte.
Ja, und dieses Jahr sehe ich die Stadt so, wie sie wirklich ist? So wie in einer echten Liebesbeziehung, wo man irgendwann feststellt, dass der Partner doch nicht der Wunderknabe oder die Wonderwoman ist, für die man ihn oder sie gehalten hat? Noch habe ich keine Antwort darauf und bin gespannt, wie es sich in den nächsten Wochen weiterentwickeln wird.

Überhaupt ist diese Woche die Woche der Nachdenklichkeit. Ich denke viel über Erinnerungen nach. In meiner Theatergruppe in Krefeld laufen die Vorbereitungen für das nächste Stück, und ein bisschen versuche ich aus der Ferne, mit dabei zu sein. Es geht um Erfahrungen, die wir unter anderem in unserer Kindheit gemacht haben. Eines der Themen ist, wann wir das erste Mal getanzt haben, und nach kurzem Überlegen ist mir eingefallen, dass ich an meinem zehnten Geburtstag das erste Mal einen Walzer getanzt habe. In meiner Erinnerung war das ein wunderbarer Abend, ein Samstag, und ich durfte länger aufbleiben als sonst. Meine Eltern hatten den Tisch im Wohnzimmer mit allerlei Knabbereien gedeckt, die ich gerne mochte: Salzstangen, Fischli, Chips und Erdnussflips, und es gab richtige Fanta, etwas, dass es sonst bei uns nicht gab. Frisch gebadet und schon im Schlafanzug nahm ich auf der Couch Platz und schaute mit meinen Eltern eine Volksmusiksendung, Ich fand alles toll, das lange Aufbleiben, die Musik und natürlich auch den Knabberkram. Und auf einmal, sagte der Moderator, ein Mann namens Franzl Lang, im Fernsehen meinen Namen und gratulierte mir zum Geburtstag. Ich war bass vor Erstaunen. Und weil ich Geburtstag habe, so der Moderator, spiele man jetzt den Schneewalzer. Das Lied kannte ich tatsächlich, das hatte ich schon auf dem Akkordeon gespielt, dem Instrument, das ich bereits seit einiger Zeit lernte. Mein Vater forderte mich auf und so tanzten wir einen Walzer. Es war mehr ein Drehen, weil ich natürlich die Schrittfolgen nicht kannte. Aber ich hing in den Armen meines Vaters und wir hatten großen Spaß – er war ein rechter Entertainer und schaffte es, mich zum Lachen zu bringen. Nachdem die Musik geendet hatte, nahm ich glücklich wieder Platz auf der Couch. Es war soooo schön gewesen und sicherlich einer der schönsten Geburtstage, die ich erlebt habe.
Bevor ich dieses Erlebnis nun aufschreiben wollte, habe ich einige der Details recherchiert und das Ergebnis haute mich schlichtweg um: der 26.10.1976 war kein Samstag, sondern ein Dienstag und es gab zwar eine Volksmusiksendung namens „Lustige Musikanten“, die lief aber am Wochenende und wurde nicht von dem Herrn Lang moderiert. Ein Anruf bei meiner Mutter brachte weitere Gewissheit: Sie konnte sich an nichts erinnern, hielt es aber für möglich, dass mein Vater mit mir irgendwann mal getanzt habe. Das wäre bestimmt sein Ding gewesen.
Und jetzt? In meiner Erinnerung ist das ein lebhaftes Geschehen, so wahr, wie es nur wahr sein kann, dabei hat es gar nicht stattgefunden.
Das wird mich sicherlich noch eine Weile beschäftigen.




Das ist ja eine spannende Geschichte. Mir fallen sofort allerlei Sachen dazu ein, aber zunächst finde ich es bemerkenswert, dass du recherchiert hast. Hattest du Zweifel an Erinnerung?
Ganz herzliche Grüße aus Halle