Die ersten Tage und das Zauberhaus in der Via Monfalcone
- maikebuchholz
- 9. Jan.
- 3 Min. Lesezeit

Die ersten Tage in Siracusa gehen gemächlich vorbei, wir haben uns bewusst keine großen Touren
vorgenommen, sondern wollen uns allmählich wieder an die Umgebung gewöhnen. Spaziergänge
zum Markt, ans Meer und in diverse Cafés genügen uns für’s Erste.
Insbesondere der Markt hat es mir immer wieder angetan, die Gerüche am Gewürzstand ziehen mich
magisch an, sie benebeln mich auf das Angenehmste, hier können wir einen Vorrat an Nüssen für’s
Müsli anschaffen: Mandeln, Walnüsse, Pistazien und Cashews aus sizilianischer Produktion. Das hat
seinen Preis, aber Qualität ist Qualität. Es gibt mehrere Fischstände, wir entscheiden uns für den
größten und erstehen zwei fangfrische Doraden, sie werden für uns ausgenommen und reichen
später nicht nur für das Mittagessen, sondern kommen abends noch in die Gemüsesuppe und der
Rest wird dann am kommenden Tag noch in der Sauce für die Nudeln landen.
Am Ende des Marktes gibt es einen Delikatessen-Laden - und wenn ich Delikatessen schreibe, dann meine ich das auch.
Man betritt den kleinen Laden, und die Fülle an Speisen, Ölen und Getränken ist immens. Letztes Jahr
hatten wir dort in der Außengastronomie schon einmal so eine Art Brett, bedeckt mit Spezereien aus
der Umgebung gekostet und waren diesen Leckereien direkt verfallen. Heute werde ich dort ein
kleines bisschen von dem Pecorino mit Trüffeln kaufen, das ist der mit Abstand köstlichste Käse, den
ich je gegessen habe. Also wer mal nach Siracusa kommen sollte, darf diesen Laden (Salumeria
Fratelli Burgio) nicht verpassen.
Wir schlendern gemächlich nach Hause. Schneller geht auch nicht, da zum einen der Rückweg aus der
Stadt immer nach oben, also bergan, führt, zum anderen war ich den kompletten Oktober
ausgeknockt, durch eine Virusinfektion, die Rekonvaleszenz zog sich bis Ende Dezember, und so bin
ich konditionsmäßig völlig außer Form. Unsere Spaziergänge hier werden mir helfen, dass das wieder
auf ein gutes Level kommt.

Wenn wir dann in die Via Monfalcone einbiegen, freue ich mich immer auf unser Zuhause auf Zeit.
Das Haus ist schon viele, viele Jahre alt, und wie jedes Jahr fangen wir in den ersten Tagen immer
damit an, einige Kleinigkeiten zu besorgen, die es noch mehr zu unserer Heimat machen. Marilena,
unsere Vermieterin, hat es gut ausgestattet mit Geschirr und anderen Haushaltsdingen, jedoch
gefallen mir zum Beispiel die Ikea-Tassen nicht, ich brauche etwas, was meinem Geschmack mehr
entspricht und so machen wir uns am ersten Sonntag auf den Weg zum Flohmarkt, der fußläufig von
uns in ca. 5 Minuten erreicht werden kann. Dort bekommt man nicht nur Kram aus vielen
Jahrzehnten, es gibt auch neuere Haushaltswaren und frisches Obst und Gemüse, Honig und Öl. Es
macht Spaß dort regelmäßig aufzuschlagen. An diesem Sonntag erstehen wir Haushaltsdosen, ein
Brett aus Bambusholz, zwei in meinen Augen schöne Tassen und zwei Wasserkaraffen (ich wollte nur
eine haben, der Verkäufer drückt mir eine zweite mit den Worten „un regalo“ in die Hand). Danach
eilen wir fix nach Hause, denn wir haben noch Karten für das Fußballspiel der Lokalmatadore
„Siracusa Calcio“, die derzeit in ihrer Liga Tabellenführer sind und heute verlieren werden. Ich hoffe,
wir haben damit keine neue Serie begründet. Das Wetter habe ich falsch eingeschätzt: am frühen
Nachmittag ist die Sonne sommerwarm und so gehe ich ohne Jacke ins Stadium. Ab der zweiten
Halbzeit verschwindet die Sonne aber hinter den Bäumen, und dann wird es fröstelig kalt. Nur dank
der edlen Spende von Kolja, der mir seine Strickjacke kavaliermäßig überlässt, überstehe ich die 45
Minuten unbeschadet.
Zurück zum Haus, ich finde, es hat eine besondere Energie und Atmosphäre und ich glaube, dass hier
irgendetwas Magisches passiert. Es ist mir schon im letzten Jahr aufgefallen, dass meine Träume hier
eine sehr besondere Qualität haben. Nicht nur, dass ich mich hier am Morgen fast immer an das in
der Nacht Erlebte erinnern kann, nein, es hat auch stets eine besondere Bedeutung. Meist sind es
Geschichten und Menschen aus der Vergangenheit, die eine Rolle spielen und es sind immer Erlebnisse und Begebenheiten, die noch einer Erklärung bedürfen, einer Entschuldigung, einem Erkennen.
Das sind manchmal einfache Dinge, wie die, dass ich im Traum einem alten Kollegen begegne, mit dem ich vor mehr als 20 Jahren zusammen in einem Büro gearbeitet und ihm dort die Arbeitszeit mit meiner Raucherei vergällt habe. Damals durfte noch in Innenräumen geraucht werden und das tat ich auch ohne Rücksicht auf Verluste. Den Traum habe ich dann genutzt und mich bei ihm entschuldigt für meine Rücksichtslosigkeit. Aber es gibt auch bedeutungsschwangere, wie der, wo ich noch einmal Erlebnisse mit einer sehr großen Liebe an mir vorüberziehen sehe und dabei erkenne, dass wir zu jung und auch zu unerfahren waren, die Verbundenheit, die so eine Liebe mit sich bringt, wirklich zu leben und auch zu sehen. Ich spüre im Schlaf Traurigkeit und Wohlwollen mit diesen beiden jungen Menschen, die es nicht miteinander geschafft haben.
Und so freue ich mich schon auf viele weitere Träume im Zauberhaus in der Via Monfalcone.






















„Du kamst, mein Leben, um mich zu ehren, aber warum gerade jetzt?
Jetzt, da ich erschöpft zu Boden gefallen bin, warum gerade jetzt?“
Ein Gedicht von Shahriyar Tabrizi, das er für die Liebe seiner Jugend geschrieben hat. Dein Text erinnerte mich an diese „warums“ in seinem Gedicht.
Im Sessel sitzen und nach Sizilien reisen, das ist schön.
Wir haben nach drei Wochen Madeira überlegt, ob wir nächstes Jahr nicht sechs Wochen nach Z.b Sizilien gehen mögen. So lese ich Deine Berichte auf mehreren Ebenen… mit Freude
❤️❤️❤️