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Der lange Ritt nach Siracusa und eine wunderbare Begegnung

  • maikebuchholz
  • 4. Jan. 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Wir sind schon von vielen Menschen gefragt worden, warum wir uns diese lange Reise mit dem Zug „antun“ – wir wären doch praktisch im Nullkommanix mit dem Flieger auf Sizilien. Letzteres stimmt zwar, jedoch: die Annäherung an das Ziel mit dem Zug ist für uns entspannter, ökologischer und menschengerecht. Die Seele möchte auch mitreisen und die braucht erfahrungsgemäß bei mir und auch bei meinem Mann etwas länger.

Und in der Regel sind wir damit immer gut gefahren, Deutsche Bahn hin oder her. Als geprüfter Bahnprofi weiß ich zudem, wie man sich das Reisen mit dem Zug sehr komfortabel machen kann. Da ich mich so früh wie möglich um die Fahrkarten kümmere, können wir in den allermeisten Fällen Supersparpreise der Bahn und mit der Kombination von erfahrenen Bahnpunkten sogar die 1. Klasse nutzen. So sind wir dieses Mal die Strecke von Krefeld nach München für 20 Euro gefahren, das schafft kein Flieger und kein Auto. Das gleiche gilt dann auch für die Weiterreise nach Italien. Ebenfalls mit Supersparpreis 1. Klasse 50 Euro pro Nase. Da reist es sich gleich noch mal so schön.

Der Abschied von Krefeld fiel leicht – das Wetter war so schön januargrau und regnerisch, wie in den letzten Wochen. Und der Krefelder Bahnhof tut ein Übriges einen zu vergraulen. Bis vor wenigen Monaten hatten die Drogensüchtigen der Stadt ihren Stammsitz auf dem Theaterplatz, dies seit Jahren, und mit dem neuesten Coup der Krefelder Verwaltung ist dieser Platz nun leer (die städtischen Oberen feiern sich dafür) und die Junkies haben nun ihren Platz im Bahnhof aufgeschlagen. Da sitzen sie nun, die armen Gestalten, präparieren ihre Chrytal-Meth-Einheiten vor aller Augen und versuchen, allerlei Zeugs für den Nachschub an den Mann und die Frau zu bringen. Ich sehe das Leid der Süchtigen, bin allerdings auch mehr als genervt und ein bisschen angeekelt von den Gerüchen, dem Uringestank und der Verwahrlosung, die ich sehe. Auf nach München.

Die Fahrt in die bayerische Landeshauptstadt verläuft störungsfrei und ruhig, wir schaukeln uns durch Hessen und Bayern, es bleibt Zeit für’s Lesen und aus dem Fenster schauen und siehe da - nach 5 Stunden haben wir erste Etappe hinter uns. Das Hotel für die Übernachtung liegt nur wenige hundert Meter vom Bahnhof entfernt, hübsches Zimmer, genau das richtige für eine Übernachtung. Kolja hat die Abendbrotplanung übernommen und siehe da, direkt neben dem Hotel gibt es einen Italiener, das Ca‘ d’oro (ich übersetze mal mit „Haus aus Gold“), es ist voll, wir haben nicht reserviert, aber wir versuchen charmant unsere Italienischkenntnisse anzubringen und werden vom Chef mit einem Augenzwinkern an einem reservierten Tisch platziert – wir sind im Bereich gelandet, der italienischen Gästen vorbehalten ist. So etwas mag ich, irgendwie hat der Chef des Ganzen es geschafft, uns zum Leuchten zu bringen, und wir bekommen wirklich leckeres Essen, allerdings so teuer, dass ein Teil des durch den geschickten Kauf der Fahrkarten gesparten Geldes hier wieder davonfließt. Aber nun gut, wir wollen die Wirtschaft am Laufen halten.



Um 22:00 Uhr liegen wir in der Falle, wohl wissend, dass es nichts werden wird mit einer ausgiebigen Nachtruhe. Der neurotische Teil in mir wacht jede Stunde auf und kontrolliert, ob der Wecker auch wirklich gestellt ist (ist er, ist er).

Mit Butterbrezeln ausgerüstet sitzen wir um Sieben im Zug, ein in die Jahre gekommener Euro City, mit tollem Panoramafenster, aus dem wir begeistert auf das Alpenpanorama blicken. Kaum haben wir die Hälfte von Österreich durchgequert, klart es sich auf, der Himmel färbt sich blau und die Sonne lacht uns endlich mal wieder ins Gesicht. Der Zug fährt durch die Berge und siehe da, im Gegensatz zum letzten Jahr gibt es in der Höhe tatsächlich eine Menge Schnee zu bestaunen, kurz nach 10 Uhr sind wir schon in Italien und das löst eine tiefe Freude in mir aus.

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Ich habe in diesem Land immer sehr gute Erfahrungen gemacht, die Menschen, die mir hier begegnet sind, waren immer fürsorglich und aufmerksam, das ist abgespeichert. Mit 21 Jahren bin ich mit dem Rucksack und Zelt und ansonsten ohne Begleitung an die Adria gefahren, mehrheitlich wurde mir Wahnsinn attestiert, alleine als Frau unterwegs und dann noch nach Italien…., tatsächlich war es dann aber so sicher, wie nur irgendwas. Im Bahnhof von Verona beschimpfte mich ein offensichtlich psychisch Kranker aus Deutschland, und bereits nach wenigen Momenten kamen aus dem Nichts zwei italienische Carabinieri und nahmen sich den Mann zur Brust und mir das Gefühl von Angst. Zu Italien habe ich Urvertrauen.

Während ich mich diesen schönen Erinnerungen hingebe, vergeht die Zeit sehr schnell, und schon erreichen wir zur Mittagszeit Verona. Wir haben etwas mehr als drei Stunden Aufenthalt und wollen hier schön lecker Pranzo einnehmen und uns ein bisschen die Füße vertreten. Für einen Stadtrundgang fehlt uns allerdings die Kraft, die Müdigkeit sitzt schon in den Knochen, und wir haben ja noch einiges an Strecke vor uns. Da an Talenten in Bezug auf „Orientierung mit dem Handy“ im Vergleich zur letzten Reise nichts dazu gekommen ist, irren wir wieder ein bisschen planlos herum, weil wir beide mit den Angaben auf der virtuellen Karte nicht so viel anfangen können. Ich mag es immer noch nicht, ohne Plan herumzulaufen, werde aber wenig später eines Besseren belehrt, nämlich, dass genau diese Planlosigkeit manchmal zu sehr schönen Begegnungen führt.

Wir landen in einer kleinen, modernen Osteria und bestellen zwei Mal Nudeln, aber bevor die serviert werden, kommt die Bedienung und stellt uns einen kleinen Teller hin, mit zwei Scheiben, die aussehen wie Wurst oder Frikadelle. Dazu gibt es eine Art Mehlschwitze. Sie erklärt uns dazu etwas in schnellem Italienisch, und wir bekommen in etwa mit, dass ein Gast und das hier bestellt hat. Schließlich kommt ein Mann an unseren Tisch und erklärt uns auf Englisch, dass er schon oft in der Karibik gewesen sei und dort immer wieder positiv überrascht wurde von der Gastfreundschaft der Menschen, und er habe sich geschworen, dies mit nach Italien nehmen zu wollen. Und so spendiert er uns also eine veronesische Spezialität, die es seiner Aussage nach nur hier gäbe. Wir probieren die Speise, es ist, wie ich später nachlese, eine Brühwurst aus Schweinefleisch mit Namen Cotechino. Wir sind begeistert ob der Freundlichkeit des Mannes und essen alles auf, nicht nur aus Höflichkeit, sondern weil es wirklich gut schmeckt. Später lese ich auf einer Seite über italienische Spezialitäten, dass diese Wurst neben dem klassischen Fleisch auch Teiles des Schweinskopfs und der Schwarte enthält. Ich frage mich, ob ich es mit dem Wissen auch noch so genüsslich gegessen hätte.


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Was aber auf jeden Fall ein Highlight bleiben wird, ist die Erfahrung, dass Irrwege manchmal zu wunderbaren Erlebnissen führen können. Schreib dir das hinter die Ohren, Maike.

Nun geht es zurück zum Bahnhof, und wir hoffen auf dem Weg nach Rom, denn das ist die nächste Etappe, auf eine Mütze voll Schlaf. Pustekuchen. Der Zug ist vollbesetzt, es gibt keinen Platz mehr für den großen Koffer, der muss zwischengeparkt werden vor der Abteiltür, und da in dem Koffer auch mein Laptop für die Arbeit ist, darf der Koffer natürlich nicht aus den Augen gelassen werden. Erst nachdem in Florenz noch eine ganze Reihe an Fahrgästen den Zug verlassen hat, gelingt es uns, ihn in unserer Nähe zu verstauen. Doch auch weiterhin gibt es kein Nickerchen, denn wir haben, wenn der Zug pünktlich in Rom ist, genau 20 Minuten Umsteigezeit. Ist er aber nicht. Die Verspätung schwankt zwischen vier und neun Minuten, mit einem Auge spingsen wir die ganze Zeit auf die Tafel mit den Angaben zu Geschwindigkeit und Verspätung. 20:31 Uhr fährt der Nachtzug nach Siracusa ab, um 20:20 Uhr erreichen wir Roma Termini. Zu unserem Glück steht aber der Anschlusszug nur ein Gleis weiter.

Der Schaffner für unseren Wagen nimmt uns lächelnd in Empfang, überprüft Fahrkarte und Personalausweis, und dann sitzen wir auch schon in unserem Miniabteil „Deluxe“. Wenig später serviert er uns noch Wasser, Wein und Bier, so stoßen wir an auf die letzte Etappe, die uns am folgenden Morgen bis an unser Ziel bringen wird.



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 
 

2 Kommentare


brigitte.roser
brigitte.roser
04. Jan. 2024

Jetzt seid Ihr also bald am Sehnsuchtsort.. wie schön, dass Ihr in Ruhe reist, das macht Reisen doch aus…und Vorfreude auf der Reise selbst möglich

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maikebuchholz
04. Jan. 2024
Antwort an

Genauso ist es. Ich möchte die Vorfreude so lange wie möglich auskosten und nicht nach drei Stunden gestresst aus dem Flieger steigen. Fliegen ist überbewertet.

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