Blaue Stunden und die Entdeckung des Kännchens Tee
- maikebuchholz
- 25. Jan. 2024
- 3 Min. Lesezeit

Was wir zu Hause nur selten machen, ist hier bereits ein liebgewordenes Ritual geworden: der Spaziergang am frühen Abend, mal eine größere Runde, ein anderes Mal fix zum Meer. Was diese Zeit so attraktiv macht, ist das Blau des Himmels. Ich habe schon oft von der sogenannten Blauen Stunde gehört, konnte mir aber nie so richtig etwas darunter vorstellen. Hier gibt es so viele unterschiedliche blaue Farbtöne, dass wir uns kaum satt sehen können. Man möchte geradezu versinken in diesen so wunderschönen Blautönen.

Zusammen mit den Farben des frühen Abends gehen auch die Gedanken fliegen, Erinnerungen kommen aus irgendwelchen Eckchen des Gedächtnisses an die Oberfläche, wie lange hatte ich daran nicht mehr gedacht. Da war diese Freundin aus Oberbrügge, einem kleinen Nachbarort von Halver, wir gingen in dieselbe Klasse, waren unzertrennlich, und jedes Jahr fuhr sie mit ihrer Familie in den Sommerferien für vier Wochen nach Italien. Sie fuhren seit ewigen Zeiten nach Marina di Massa, ein kleines Örtchen an der Riviera, und immer in die Pensione Daisy. Nach diesen Ferien am Meer kam sie braungebrannt, auf Zoccolis und schwer verliebt in einen der jungen Männer dort, zurück in die Schule und steckte mich an mit ihrer Schwärmerei für Italien und die Aussicht auf eine großartige Ferienliebelei. Wie neidete ich ihr diese Ferien, ihre Eltern boten an, mich mitzunehmen, doch die zweitausend D-Mark, die diese vier Wochen gekostet hätten, waren für meine Familie eine Summe aus einer anderen Welt. Also schrieben sie und ich uns Briefe, so war ich auf der Höhe des Geschehens und wusste, welcher Junge gerade ihre Gunst gewonnen hatte. Ich lag zu Hause auf meinem Bett, las ihre Briefe wieder und wieder und träumte mich zu ihr ans Meer. Etwas mehr als 30 Jahre später bin ich eher zufällig in Marina di Massa gewesen, und was soll ich sagen, ein öder Touristenort, mit den für Italien typischen Stränden, wo man Liegen mieten muss und wie eine Sardelle mit anderen Sardellen den Tag am Strand verbringt. Grauenvoll der Gedanke, hier jahrein jahraus Urlaub zu machen. Ich lächele in mich hinein, bin dankbar für diese Erinnerung und dafür, dass ich reich an solchen Geschichten bin, die irgendwann ihren versöhnenden Moment haben.

Unser Gang in den Abend macht Lust auf Einkehr - zahllose Cafés und Bars gibt es hier wirklich an jeder Ecke. Manche mit Komplettprogramm an Essen und Getränken, manche mit süßem Gebäck und den hier üblichen gefüllten Blätterteigstückchen. In den ersten Tagen, als noch Urlaubszeit war, haben wir diese Runden für einen Aperitivo genutzt. Man trinkt ein Bier, ein Glas Wein oder einen Sprizz, dazu werden in der kleinen Version Chips, Erdnüsse, getoastete Brotstückchen, getrocknete Tomaten und Oliven gereicht. Wenn man nicht aufpasst und an der falschen Stelle nickt, gibt es das ganz große Besteck. Gereicht wird eine Holzplatte, die so üppig mit Käse, Wurst, Schinken, Spinatecken und anderen Leckereien belegt ist, dass danach das Abendessen ausfallen muss. Das ist im Urlaub ab und an nett, für den Alltag jedoch nicht tauglich und nicht zu gebrauchen. Zum einen sind wir wegen unserer gewohnten Essenszeiten zu dieser Zeit schon hungrig, und Alkohol auf halbleeren Magen sorgt dafür, dass man relativ schnell angetütert ist und das für den Rest des Abends. Nur Wasser zu trinken wäre eine Beleidigung für die Wirte und auf Dauer langweilig. Also was tun? Augen offenhalten und beobachten: Wir sahen mit Erstaunen, dass viele Italiener um diese Zeit ein Teestündchen machen - dazu gibt es mit allen Raffinessen des Konditorhandwerks hergestellte Kekse, das ist es! So gibt es jetzt auch für uns zur Blauen Stunde ein Kännchen grünen Tee, der uns noch ein paar wache Stunden beschert.





Wunderschöne Blau- Bilder und schöne Entdeckungen! Schön, mit zu schnuppern und zu probieren