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Auf neuen Pfaden

  • maikebuchholz
  • 14. Jan. 2024
  • 3 Min. Lesezeit
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I

Wer mich kennt, weiß, dass lange Spaziergänge nicht zu meinen Hobbies gehören. Das liegt zum einen daran, dass ich lange Zeit Probleme mit dem Rücken hatte (Leser und Leserinnen des letztjährigen Blogs wissen das) und zum anderen lädt die Gegend, in der wir in Krefeld wohnen, nicht zum Spazierengehen ein. Da wir schon sehr lange kein Auto mehr haben, müssten wir mit unseren Fahrrädern erst einmal „irgendwo“ hinradeln, wo man schön laufen könnte. Meistens wird daraus eine Fahrradtour und das Laufen entfällt. Hier ist das anders. Nach getaner Arbeit habe ich das Spazierengehen am späten Nachmittag, wenn es gerade noch hell ist, entdeckt. Da mir unser Viertel und viele Wege jetzt vertraut sind, habe ich auch keinerlei Sorgen mehr, mich zu verlaufen, zur Not könnte ich jetzt wohl nach dem Weg fragen. Letzten Freitag wollte ich einige Wochenendeinkäufe machen und war zu früh unterwegs, der Supermarkt noch in der Mittagspause. Spontan entschied ich mich, nicht wieder nach Hause zu gehen, sondern die halbe Stunde mit einer Tour ohne Ziel zu überbrücken. Das ist auch etwas Neues für mich. Laufen ohne Ziel stresst mich, ein Anfang ist da, aber wo ist das Ende? Hier war es mir egal, ich ging aufs Geratewohl los und fand dabei nicht nur einen recht kurzen Weg zum Sportzentrum (wo ich nächste Woche mal mein Schwimmglück versuchen werde), sondern auch einen flotten Weg zum Meer. Wie ist das schön, nach einem Arbeitstag an der frischen Luft zu sein, die Wellen zu sehen, die Brandung zu hören und den Blick auszuruhen. Am Ende des Nachmittags hatte ich eine Riesenrunde gedreht und war überrascht über die Freude und Entspannung, die das in mir auslöste. Ein herzlicher Dank geht auch an meinen Rücken, bitte mach weiter so schön mit.

II

Kolja und ich haben eine kleine Regel entwickelt, die besagt, dass wir nach Möglichkeit nicht zweimal hintereinander den gleichen Weg in die Stadt nehmen. So wollen wir jedes Sträßchen erkunden, das sich anbietet. Dabei haben wir vor einigen Tagen den kleinen Käseladen wieder entdeckt, den wir schon bei der ersten Reise nach Siracusa besuchen wollten, aber entweder fanden wir ihn nicht, oder wir kamen direktemang dran vorbei und es war geschlossen. Heuer hatten wir Glück, das Geschäftchen, es ist wirklich winzig klein, liegt in der Via San Agnese und hatte geöffnet. Also nichts wie rein, wer weiß, wann wir hier noch mal hingelangen. Direkt links, unter einem kleinen Pult, liegt ein Hündchen, von den Proportionen perfekt zur Ladengröße passend, und bellt. Ob freundlich oder nicht lässt sich nicht erkennen, vielleicht ein sizilianischer Dialekt, wer weiß das schon? Aus einem hinteren Raum kommt ein freundlich lächelnder Mann, in weißer Arbeitskleidung und fragt uns nach einem herzlichen „Buona sera“, woher wir denn kämen? Ah, aus Germania! Ich verkünde, dass wir ein bisschen Käse erstehen möchten, er hat aber anderes im Sinn. Bevor das professionelle Verkaufsgespräch beginnt, lässt er uns erst einmal praktisch alles kosten, was hinter der Auslage zu sehen ist: zwei verschiedene Sorten Salami und Käse sowie Oliven. Alles schmeckt einfach köstlich. Kolja und ich schauen uns an, probieren weiter und kauen genüsslich. Hier werden wir Stammkunden, das steht bereits jetzt fest. Er freut sich, als er uns ein Stück von der Wurst absäbelt, sowie von dem Käse einmal mit Chili und scharf und einmal mit schwarzem Pfeffer. Als ich das Portemonnaie hervorhole, verschwindet er noch einmal in den hinteren Raum und kommt mit einer Plastikschale nach vorne, die zwei kleine mit Ricottacreme gefüllte Canolli enthält. Er hält sie mir entgegen und meint, ich solle daran riechen. Das mache ich und bin verzückt. Ein orangenfarbener Sirup ist darüber gegossen und es riecht so, als ob man in einem Orangenhain steht, wo reife Früchte an den Bäumen hängen. Er schmunzelt und meint nun, ich solle die Schale verschließen und dann sollen wir es uns später schmecken lassen. Er versteht was von Kundengewinnung und uns bleibt nur ein gehorsames: „Wird gemacht Chef“. Obendrauf packt er noch einen Jahreskalender für 2024 und dann dürfen wir weiterziehen.

III

Neue Wege beschreiten wir in diesem Jahr auch bei der Abendgestaltung. Sind wir letztes Jahr abends zu Hause geblieben, weil es zu dunkel war und wir keine Ahnung hatten, wo und wann Veranstaltungen sind, haben wir uns für diese Saison vorgenommen, ein bisschen aktiver zu werden.

Kolja hat recherchiert, und so sind wir schon auf dem Konzert des sizilianischen Barock-Orchesters gewesen. In der Altstadt waren wir abends auch schon und haben ein Büchercafé entdeckt, das erst um 17:00 Uhr öffnet und wo man es sich in Sesseln bequem machen kann, um einen Kaffee oder einen Aperitivo zu trinken und zu lesen oder auch nur um zu entspannen. Dazu hört man Tom Waits aus den Boxen, angenehm wohltuend im Vergleich zu dem Gedudel, dass einem sonst aus jeder Bar entgegenschallt. Auch hier gibt es gelegentlich Veranstaltungen, die haben wir uns schon notiert und fest eingeplant. Wer weiß, vielleicht gelingt es uns ja noch, andere Siracusaner kennenzulernen?

Fazit: Es lohnt sich, rauszugehen und ein bisschen Kultur zu inhalieren.


 
 
 

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