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Auf nach Ortigia und wo ist der Pausa-Mann?

  • maikebuchholz
  • 9. Jan. 2024
  • 3 Min. Lesezeit
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Freitag früh so gegen halb Zehn habe ich ein veritables Gefühl von Ausgeschlafen sein, der Müdigkeitsspeicher ist leer, juchu. Der Plan für den Tag steht, es geht nach Ortigia, Sehnsuchtsort und zu Fuß ganz wunderbar zu erreichen. Beim Frühstück bekakeln wir, dass wir gemütlich die Via Piave nehmen, beim Caffè Pausa einkehren, um dem dortigen Besitzer „Hallo“ zu sagen. Bei ihm hatten wir letztes Jahr fast jeden Tag unsere Tagesration an Cappuccino eingenommen und nach kurzer Zeit wurden wir mit Stammgastgefühl begrüßt. Unter der Dusche überfällt mich ein komisches Gefühl – was, wenn er gestorben ist? Ich verscheuche die Gedanken, in dem ich das Shampoo etwas fester als gewöhnlich verteile und denke: „Maike, lass locker, es muss doch nicht immer das schlimmste passiert sein.“ Wenig später verlassen wir mit vorbereitetem Einkaufszettel und unseren Rucksäcken wieder das Haus und direkt an der nächsten Ecke biegen wir rechts ab in die Via Piave, unsere Einkaufsmeile für die Dinge des täglichen Bedarfs, sie führt hinunter bis in die Stadt, es geht bergab und man hat eine gute Sicht. Nur noch wenige Schritte bis zum Stammcafé und dann das unmittelbare Erschrecken. Das Pausa-Café ist weg. Dort befindet sich zwar immer noch eine Bar, aber sie heißt jetzt anders und hinter der Theke erblicken wir fremde Gesichter. Wo ist der Pausa-Mann? Nach einem Tag fühle ich mich noch nicht sicher genug für eine Frage auf Italienisch, nach ihm und seinem Befinden. Mit einem betretenen Gefühl und auch einer gewissen Enttäuschung gehen wir weiter und sind froh, dass es zumindest den netten, fröhlichen Fischhändler noch gibt. Bei Gelegenheit werde ich ihn befragen, er wird sicherlich wissen, was aus dem Wirt geworden ist. Jetzt erst einmal weiter hinunter in die Stadt.

Auf einer der Brücken am Übergang der Halbinsel sehen wir zu unserer Überraschung ein riesengroßes Kreuzfahrtschiff, das wie ein großer Fremdkörper im Hafen liegt und so gar nicht zum Ambiente drum herum passt. Unweit davon liegt die Humanity I, ein Seenotrettungsschiff, dass für eine Weile von der Regierung Meloni zum Nichtstun verdammt war und hier in Siracusa ankern musste, jetzt wieder auslaufbereit ist und auf den nächsten Einsatz wartet. Bei aller Schönheit von Natur, Architektur und allem weiteren, was Sizilien so zu bieten hat, ist es natürlich auch eine Tatsache, dass das Meer ringsum Geschichten beherbergt von Menschen, die versucht haben, auf das Festland zu gelangen und gescheitert sind, ihr Leben hier verloren haben. Das habe ich (fast) immer im Hinterkopf, wenn ich hier bin und auf das Meer blicke. Und ehrlich: ich hätte Hemmungen, hier im Meer zu schwimmen.

Wir blicken also auf die beiden Schiffe mit ihren so unterschiedlichen Absichten und was wir in dem Moment nicht wissen, ist, das am nächsten Tag ein kleiner Sturm aufziehen wird, der das schlecht verankerte Kreuzfahrtschiff durch den Hafen treiben und dabei viele kleinere Schiffe und Yachten zermalmen wird. Die Humanity dagegen bleibt unversehrt und auf ihrem Platz. Nennen wir es Karma?

Aber jetzt erst einmal weiter nach Ortigia. Das heißt in jedem Falle einen Besuch auf der Domplatte und dort zumindest ein Glas in einem der Restaurants einzunehmen, noch besser auch eine Kleinigkeit zu essen und dem Treiben dort zuzuschauen. Der Einzige, der das Idyll ein wenig stört, ist ein enthusiastischer, wenn auch wenig begabter Sänger mit Gitarre und kleinem Verstärker, der am anderen Ende des Domplatzes versucht, mit beliebten Schlagern aus aller Herren Länder sein Publikum zu finden und zum Spenden zu animieren. Er ist motiviert und macht leider keine Pause, wie das sonst bei Musikern so üblich ist. Wenig später erreicht ein kleiner Feuerwehrwagen die Domplatte und parkt in der Nähe des Musikers. Aus der Ferne ist es schwer zu erkennen, es sieht aus, als ob die Feuerwehrleute ihr Equipment aus dem Fahrzeug räumen und im Inneren meines Kopfes entsteht die Geschichte vom tapferen Feuerwehrmenschen, der mit einem Schlauch beherzt den Musikus von der Domplatte kärchert. Ruhe wäre. Aber nein, in Wirklichkeit bauen sie eine Art Seilbahn zur Chiesa di Santa Lucia alla Badia, vielleicht eine Übung, wir bekommen es nicht heraus.

Nach Mittagessen und Caffè schlendern wir langsam zurück Richtung Casa und ergänzen im Laden mit dänischen Haushaltsprodukten unsere Küchenausstattung mit schönen Tassen, Käsereibe und Schneebesen. Dabei habe ich immer eine liebe Freundin aus Frankfurt im Kopf, deren erste Handlung im Urlaub der Kauf frischer Blumen ist, um die fremde Bleibe wohnlich zu machen. Blumen gibt es hier nicht, aber eine Kaffeetasse, die jeden Tag das Auge erfreut, ist ja auch schon mal was.

 
 
 

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