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Auf ins Schwimmbad (2. Versuch) und ein Engel namens Lucia

  • maikebuchholz
  • 25. Jan.
  • 5 Min. Lesezeit

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In der ersten Woche unseres Aufenthaltes war ich gescheitert mit meinem Versuch, schwimmen zu gehen - das sollte an diesem Freitag anders werden. Der Wetterbericht versprach beste Bedingungen (angenehme Temperaturen, Sonne, kein Wind). Um ganz sicher zu gehen, hatte ich am Vortag über WhatsAPP noch einmal nachgefragt, ob das Büro mit den Eintrittskarten am Freitag auch wirklich besetzt sei, und es wurde mir schriftlich versichert, dass bis halb 12 jemand da sei. Das machte mich ein bisschen stutzig, da man mir in der Woche zuvor geschrieben hatte, das Schwimmbad würde um eben halb 12 Uhr öffnen. Ich beschloss, kurz nach 11 da zu sein, zur Not würde ich dann halt warten, bis ich ins Wasser springen könnte.

Also, Rucksack gepackt, und los geht’s. Frohgemut trete ich aus dem Haus, grüße an der nächsten Ecke einen älteren Mann, den wir das erste Mal gesehen haben, als er sonntags seine wöchentliche Maniküre am offenen Fenster vollführte, knips-knaps und die Nägel flogen auf den Bürgersteig. Ob er auch die Pediküre auf diese Weise erledigt, ist nicht bekannt. Weiter vorbei am Gemüsestand von Sandro la Mesa und seinem Sohn, auch dort hebe ich die Hand zum Gruß, wir sind dort gute Kunden. Ich wappne mich, denn nach den beiden beginnt der anstrengende Teil des Tages, mein steiler Weg zum Glück, ab hier geht es nun für anderthalb Kilometer bergauf, vorbei an Melissas Frisierladen und dem kleinen Supermarkt, wo wir alles besorgen, was wir nicht frisch auf den Märkten bekommen, vorbei an der Apotheke, die nicht nur ihre Öffnungszeiten auf einer blinkenden Tafel anzeigt, sondern auch in regelmäßigen Abständen die aktuelle Temperatur.


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Ich warte, bis sie umspringt: 23 Grad morgens um kurz nach halb 11, nicht schlecht. Überrascht stelle ich zudem fest, dass mein Rücken nicht ein bisschen weh tut. Nichts, kein Ziepen, keine Muskeln, die drücken, alles fühlt sich locker an. Hat es etwas damit zu tun, dass ich auf dem Weg zu etwas Schönem bin? Ich wüsste es nur zu gerne. Am Ende der Via Teocrito, in der mich befinde, geht es links um die Ecke, dort gibt es einen Laden, der immer noch die Weihnachtsdeko im Schaufenster hat und Schmuck und ein bisschen Eso-Kram verkauft, „Formosa“ heißt, und in dem ich fast noch nie Kunden gesehen habe, danach kommt eine Bar, in der wir mal sagenhaft schlechten Tee getrunken haben, bloß schnell vorbei, immer weiter, die Strecke kenne ich fast im Schlaf, als nächstes kommt ein großes Gebäude, eine Art Berufsschule. Habe ich die passiert, kommt eine Straßenüberquerung, hier gilt es, am Zebrastreifen einfach weiterzugehen, die Fahrzeuge werden anhalten, auch wenn das oft nicht so aussieht und ich dann jedes Mal denke, dass es mich jetzt erwischen würde.

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Nun kommt noch der Park, ich mache eine kurze Rast, schaue auf die Uhr, es ist 10:47 Uhr, ich liege voll im Plan. Während ich nun den Endaufstieg bewältige, fällt mir der Traum der vergangenen Nacht wieder ein, eigentlich kein Traum, sondern das Wiedererleben einer Geschichte aus meiner Kindheit.

Ich war mit einer Freundin für eine Woche bei meinen Großeltern im Sauerland und wir hatten ein bisschen Langeweile. Ich weiß nicht mehr, wer von uns beiden auf die Idee kam, aber wir begannen, ein Werbelied zu dichten. Auf Rama, eine Margarine, die damals sehr populär war. Wir schlossen uns im Badezimmer ein und nahmen das Lied mithilfe des mitgebrachten kleinen Kassettenrekorders auf: „Die junge Rama morgens uns weckt, die junge Rama morgens uns schmeckt, die junge Rama, weil sie zu jeder Zeit gut ist“, es gab insgesamt drei oder vier Strophen und wir waren sehr stolz darauf. Am nächsten Tag schickten wir die Kassette gut verpackt an eine Adresse in Hamburg, die wir auf der Packung von Rama gefunden hatten.  Dazu gelegt hatten wir einen kleinen Brief, in dem wir erklärten, dass wir einen neuen Song für Rama erfunden hätten.

Nach einigen Wochen, wir waren lange schon wieder zu Hause, lag für jede von uns ein Paket in der Post: wir bekamen einen Brief von der Ramafirma, zusammen mit einer Langspielplatte von Mike Krüger, auf der sein Rama-Song verewigt war. Sie bedankten sich für unsere Kreativität, das Ganze war sehr nett formuliert und wir waren stolz und freuten uns wie Bolle über das Geschenk. Verwendet haben sie das Lied allerdings nie…., wer es gerne mal hören möchte, spricht mich bitte nach zwei Glas Wein darauf an, singen kann ich es noch.


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Ich schüttele die Erinnerung ab und siehe da, ich bin angekommen und drehe mich auf der Spitze des Berges um, bei klarem Wetter kann man das Meer sehen und ein bisschen was von den Dächern der Stadt, das eignet sich gut, um ein wenig zu verschnaufen. Heute halte ich mich allerdings nicht lange auf, schnell überquere ich eine letzte Straße und dann bin ich da, die Tür ist offen, das Büro, in dem die Eintrittskarten verkauft werden, ist besetzt, und die nette Dame, die hier arbeitet, erkennt mich wieder, hat mein Profilbild auf WhatsApp gesehen. Ich kaufe meine Karte und sie fragt mich, wann ich denn schwimmen möchte, jetzt oder morgen? Ich antworte mit „gleich“ und sie wünscht mir viel Vergnügen. Ich komme vor lauter Glück nicht dazu, mich darüber zu wundern, dass es kurz nach 11 ist und ich direkt schwimmen gehen kann. Gestern hieß das doch noch anders.

Jetzt bin ich nur noch die pure Freude, sehe das Becken, es ist niemand im Wasser, na prima, bin ich heute die erste, gehe rasch zur Umkleidekabine und nach wenigen Minuten bin ich schwimmfertig umgezogen, geduscht und sowas von bereit. Meine Überraschung ist groß, als ich sehe, dass mittlerweile fünf Schwimmerinnen und Schwimmer zugange sind. Wo sind die jetzt hergekommen? Ich war die einzige Frau in der Umkleide, rätselhaft, aber alles egal, ich gehe beherzten Schrittes zu der kleinen Leiter, die ins Glück führt, ach, das Wasser ist schön warm, die Schwimmbrille sitzt, der MP3-Player mit dem schönen Hörbuch läuft, ich will loslegen, als die Frau neben mir mich anspricht. Ich bin irritiert, sie erklärt mir, dass es Pflicht sei, eine Badekappe zu tragen. Badekappe? Ich versuche ihr auf Italienisch zu sagen, dass das aber doch letztes Jahr ganz anders gewesen sei. Damals hatte ich tatsächlich nachgefragt, ob eine vonnöten sei, es war verneint worden. Die Dame hier im Wasser schüttelt den Kopf: Neue Regeln.

Mein Herz sackt in die Hose. Ich kann es nicht glauben. So nah war ich am Ziel meiner Träume, ich seufze und mache mich auf den Weg aus dem Wasser. Die Frau klopft mir auf die Schulter und sagt, ich solle bleiben, sie habe eine zweite Bademütze in der Tasche, sie werde sie mir leihen.  Gesagt, getan.

Ich könnte heulen über so viel Freundlichkeit, ich bedanke mich wieder und wieder und sie meint nur: „Viel Vergnügen beim Schwimmen“. Und so genieße ich Bahn um Bahn, bin glücklich, hier zu sein, finde Sizilien und die Menschen hier noch netter als sowieso schon. Während einer kurzen Pause spricht sie mich noch einmal an, diesmal wechseln wir rasch ins Englische, dass sie sehr gut spricht, und so quatschen wir ein bisschen über den herrlichen Tag hier, die Sonne, und darüber, dass wir beide das Schwimmen so sehr mögen. Wir stellen uns mit Namen vor, reichen uns die Hand und so sind Lucia und ich jetzt Schwimmfreundinnen. Nach und nach ergeben sich dann im Gespräch die nun aber wirklich richtigen Schwimmzeiten (vormittags ab 10 bis irgendwann….) und bei der Verabschiedung hoffen wir beide, uns hier wiederzusehen.

Nach einer knappen Stunde intensiven Schwimmens steige ich den Berg wieder hinab, euphorisiert vom körpereigenem Dopamin, vor allem aber auch durch die Freundlichkeit eines Engels namens Lucia.

 


 
 
 

2 Kommentare


Gast
27. Jan.

So schön ,Maike!

Mein Mann und ich träumen schon von Wintermonaten im Süden im nächsten Jahr.

Ab April bin ich endlich in Rente. Dir noch weiter eine entspannte Zeit

Liebe Grüße Lioba

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brigitte.roser
brigitte.roser
25. Jan.

Hach, wie schön, Maike in Sizilien zu lesen!

Blühende Wiesen, seufz, herrlich. Und gegönntes Glück im Wasser!

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