Alles ist wie immer und nichts ist gleich
- maikebuchholz
- 7. Jan. 2024
- 4 Min. Lesezeit

Donnerstag früh, pünktlich um 09:01 Uhr, wie es der Fahrplan vorherbestimmt hat, fährt der Zug in Siracusa Centrale ein. Wir sind da! Gestärkt durch einen wirklich frischen, doppelten Espresso und Kleingebäck, das hier Frühstück genannt und noch im Zug kredenzt wird, wuchten wir unser Gepäck auf den Bahnsteig. Die Luft ist frühlingshaft mild, trotz der noch frühen Zeit am Morgen. Ich recke mein Gesicht das erste Mal der Sonne entgegen, wie habe ich das vermisst, und da fällt es leicht schwerbepackt wie zwei Lastentiere, den Bahnhof zu verlassen. Hier haben wir auch unser erstes Highlight: Vor einem Jahr hatte ich mir geschworen, wenn wir nach Sizilien zurückkommen, den Taxifahrern am Bahnhof eine lange Nase zu machen. Für die etwa zwei Kilometer bis zur Via Monfalcone hatte man uns damals 20 Euro Spezialpreis abgeknöpft und ich habe mich lange darüber geärgert. Nun, ich bin vom Sternzeichen Skorpion, Aszendent Skorpion und wer sich ein bisschen mit Astrologie auskennt, weiß, dass diese Konstellation sehr rachedurstig sein kann. An diesem Morgen wird sie kalt serviert, triumphierend schieben wir Koffer und Taschen am Taxistand vorbei. Es geht leichter als gedacht, und da es schon richtig warm ist, legen wir unsere Jacken dazu und erfreuen uns an jeder bekannten Ecke. Da drüben auf der anderen Seite ist der kleine Gemüsestand, der auch Olivenöl in Plastikflaschen verkauft, in Sichtweite der Kreisverkehr, wo immer viel los ist. Im Handumdrehen haben wir die Piazza Euripide erreicht, hier hatten wir geplant, den ersten Cappuccino zu uns zu nehmen, und zwar bei „Dolci Momenti“ einem kleinen Café mit Außengastronomie. Es ist der 4. Januar 2024 und wir sitzen kurz nach halb zehn mit den Sonnenbrillen auf der Nase draußen, finden es herrlich und warm. Ich melde mich bei Marilena, unserer Vermieterin, sie will sich bald auf den Weg machen und bietet an, uns dort abzuholen. Fein, fein, es bleibt Zeit, das karge Frühstück aus dem Zug auszugleichen, und so gibt es Blätterteig mit Herzhaftem gefüllt und einen weiteren Cappuccino. Der Platz, an dem wir sitzen, bietet reichlich Gelegenheit zum Menschen begucken, um diese Uhrzeit vorzugsweise ältere Männer, die ihren Spaziergang Richtung Stadt machen und unterwegs einen schnellen Caffè zu sich nehmen. Da wird nicht gemütlich am Kaffee genippt und genippt, nein, der wird mit viel Zucker direkt runtergespült und schon ist man wieder raus aus der Bar. Wir nicht, ich habe jetzt erst einmal noch viele Tage Urlaub, lehne mich noch ein bisschen weiter zurück in meinem Stuhl und erst spät fällt mir auf, dass Marilena auf der anderen Seite des Platzes mit ihrem Auto im Halteverbot steht und schon eine Weile winkt. Jetzt aber fix bezahlt und rübergehastet, eine schnelle Umarmung, Marilena sieht bedauernswert blass aus, ist in der Nacht um Drei aus Paris zurückgekehrt, wo sie mit ihrer Familie eine kalte und verregnete Woche Urlaub gemacht hat. Dort hat sie sich zu allem Überfluss auch noch erkältet, und so ist sie recht still und stimmlos. Sie schließt auf, und dann sind wir wieder in unserem Heim auf Zeit, und im Gegensatz zum letzten Jahr fühlt es sich an wie ein Nachhause kommen. Aber genau wie im letzten Jahr gehen wir erst einmal schlafen, die Anreisetage fordern ihren Tribut.
Am frühen Nachmittag machen wir uns dann auf zum ersten Spaziergang in die Stadt, erst mal ans Meer. Wir freuen uns, dass nun alle Wege hinunter in die Stadt nicht mehr erkundet werden müssen, sondern wie selbstverständlich gelaufen werden können. Ehe wir uns versehen erblicken wir die ersten Boote, es riecht nach Meeresluft, am Kai sitzt ein alter Mann und angelt, hat Glück - ein kleiner Fisch zappelt an der Leine. Ich denke noch, dass auch der Fisch wohl zu den Glücklichen gehört, er ist zu klein für Pfanne oder Grill, aber ich irre. Er nimmt den Fisch vom Haken und wirft ihn einer Katze zu, die in Sichtweite wohl schon auf etwas Essbares gewartet hat. Ich kann kaum hinschauen – während der Fisch nach Luft japst und zappelt, macht die Katze, was sie so kann: sie spielt mit dem Tier, nimmt es ins Maul, lässt es wieder fallen, wiederholt das Ganze ein paar Mal und schließlich bewegt das Fischlein sich nicht mehr und wird verspeist. Ist das der Lauf des Lebens? Wir gehen weiter, durch den kleinen Park Richtung Zentrum, und sehen dort eine Frau, die auch Katzen füttert, allerdings mit Trockenfutter. Das macht sie so sorgsam, dass man sieht, es passiert nicht zum ersten Mal (und es stimmt, bereits am nächsten Tag treffen wir sie wieder dort an). Die im Park lebenden Katzen sehen alle gut genährt und gesund aus, nicht wie man es sonst bei streunenden Katzen vermuten würde. Sie rennen auch nicht alle gleichzeitig zu den ausgestellten Futtertöpfen, sondern warten artig und zurückhaltend, bis sie dran sind, nach einem System, dass sich uns allerdings nicht erschlossen hat. Weiter geht’s um die Ecke, und schon sehe ich den Friseurladen, wo ich letztes Jahr einen halben Tag verbracht habe, und wenn ich an der nächsten Straßenecke links weitergehe, ist dort noch immer der Schönheitssalon mit der Ayurvedafrau, dort möchte ich auch dieses Mal wieder hin. Noch einen Caffè als Stärkung und dann beenden wir die erste Runde mit einem Besuch in dem kleinen Supermarkt und beim Gemüsemann um die Ecke, der sehr gute Ware anbietet, und auch bei ihm gibt es eine kleine Wiedererkennung: Papst Franziskus und der Duce hängen immer noch einträchtig nebeneinander. Wer hätte gedacht, dass Katholizismus und Faschismus so friedlich miteinander existieren……








Das stelle ich mir sehr schön vor , dieses Ankommen. Und während hier Minusgrade herrschen, freue ich mich an der Vorstellung, wie du das Gesicht in die Sonne reckst. Endlich! Herzliche Grüße zu Euch!