Alla spiaggia - an den Strand!
- maikebuchholz
- 11. Jan. 2024
- 4 Min. Lesezeit

Das Wetter war in den ersten Tagen ein bunter Gemischtwarenladen. In der Sonne molto warm, am nächsten Tag wolkig und jackenbereit - Regenschauer, und am Tag der Heiligen Drei Könige gab es sogar ein Gewitter mit Sturm für ca. eine Stunde. Also alles dabei. Es ändert sich von jetzt auf gleich, und so nutzen wir jede Schönwettervorhersage für einen Spaziergang oder Ausflug. Wobei wir uns bis jetzt immer verschätzt und viel zu warm angezogen haben. So auch gestern. Der Wetterbericht verkündet Sonnenschein und so machen wir uns gegen halb zehn auf den Weg zum Bahnhof, in die Winterfrische nach Fontane Bianche, ein kleiner Ort am Meer etwa 15 Kilometer von Siracusa entfernt. Schon nach wenigen hundert Metern ziehe ich die Jacke aus und stopfe sie in meinen Rucksack, ich habe noch einen leidlich warmen Strickpulli an, auch der ist mir jetzt schon zu viel. In der Bäckerei unweit des Bahnhofs, die wir bereits im letzten Jahr fleißig genutzt haben, holen wir den Proviant für unser Mittagessen, wir wollen sparen. Wir bezahlen hier insgesamt 2,50 Euro für zwei große, üppig belegte Sandwiches mit Brot nach Wahl, das innere Sparschwein lacht. Die Osteria am Meer in Fontane Bianche hingegen, die ganzjährig geöffnet hat, nutzt weidlich aus, dass sie der einzige Laden mit Essen und Trinken weit und breit ist. Die Bewertungen im Internet sind einhellig: Teuer, Nepp, unverschämt, denen wollen wir unser Geld für's Essen nicht geben.
Im Bahnhof angekommen, werfe ich einen Blick auf den Abfahrtsplan, unser Zug fährt 10:27 Uhr ab Gleis 2. Dort hocken wir dann und halten unserer Gesichter in die Sonne. Auf italienischen Bahnhöfen wird durch Lautsprecherdurchsagen regelmäßig davor gewarnt, dass es streng verboten ist, die Gleise zu überqueren. Haben wir nicht vor. Dazu gibt es auch noch Hinweise zu den abfahrenden Zügen, unsere Regionalbahn wird angesagt und ich wundere mich, dass der Ansager nicht von Gleis 2, sondern von Gleis 2 -West spricht. Da mit uns noch reichlich andere Fahrgäste auf dem Bahnsteig sind, spreche ich mit Kolja zwar über dieses Detail, wir ignorieren es jedoch einfach so lange, bis ein junger Mann, der bislang mit uns wartete, plötzlich losspringt und die Gleise munter überquert. Was ist da los? Ich sehe, dass andere Fahrgäste und der Schaffner des Zuges winken und wir entdecken, dass Gleis 2 West auf der anderen Seite von Gleis 1 ist. Das gibt uns die Gelegenheit, noch eine kleine sportive Einlage zu präsentieren, wir hasten in Rekordzeit und völlig außer Atem zum richtigen Gleis, angetrieben vom Schaffner, der die ganze Zeit seine Trillerpfeife benutzt und uns und die anderen damit noch zusätzlich irritiert. Aber wir schaffen es wortwörtlich auf den letzten Pfiff, kaum haben wir die Tür hinter uns geschlossen, geht es auch schon los. Und gleich geht es spannend weiter. In Italien kann man die Fahrkarten für Regionalzüge online kaufen, muss sie dann aber auch vor Fahrtbeginn einchecken. Das habe ich ordentlich gemacht und mich dann gewundert, wie ich das denn nun dem Schaffner mitteilen soll, denn darüber gab es keine Mailbestätigung oder Ähnliches. Um nicht ganz mit leeren Händen dazustehen, habe ich einen Screenshot davon gemacht und hoffe nun, damit hinzukommen. Als er bei uns vorbeikommt, um die Fahrkarten zu kontrollieren, zeige ich ihm erst mal die gekauften und er fängt an mir zu erklären, dass er diese nicht sehen will. Da wir in diesem Moment den Bahnhof von Fontane Bianche erreichen, kommen wir dieses Mal um den möglichen Ärger drumherum, der Schaffner lässt uns ziehen.
In Fontane Bianche ist es noch wärmer als in Siracusa, jetzt muss auch der Pulli dran glauben, bis zum Strand sind es etwa 10 Minuten zu Fuß. Zu sehen gibt es nichts weiter, das ist ein kleines verschlafenes Nest, hier ist nur im Sommer was los, jetzt sind die ganzen Ferienwohnungen und Hotels leer und verwaist. Gut für uns, so ähnlich sieht es auch am kleinen Strand aus. Zu unserer Überraschung sind zwei Menschen im Wasser und baden – ich bin so perplex, dass mir nicht einfällt, das fotografisch festzuhalten. Wahnsinn, sind die denn verrückt?

Ein Mann, der in Badehose und mit Müllbeutel unterwegs ist und diesen mit liegengebliebenem füllt, scheint ebenfalls das Sommerfeeling zu haben. Leider kann man nicht so gut spazierengehen, der Sand ist so weich, dass wir immer knöcheltief einsinken, was mordsmäßig anstrengend ist. Das sieht nicht nach romantischem Strandspaziergang aus, wir suchen uns lieber ein Plätzchen aus, wo wir in Ruhe auf das Meer und seine Brandung blicken können und finden zwei Felsen, die sich ganz gut dafür eignen. Gott, wie ist das schön. Die Wellen kommen und gehen, die Farben sind ganz anders als im Sommer, wo das Meer dunkelblau erscheint, jetzt sieht es heller und irgendwie winterlicher aus. Und ich kann der Versuchung nicht widerstehen, zumindest mal mit dem großen Zeh die Wassertemperatur zu testen, auch wenn ich nicht gut ausgerüstet bin. Ich habe zwar eine Flasche Wasser dabei, an ein kleines Handtuch für‘s Abtrocknen habe ich jedoch nicht gedacht. Egal, auch wenn der Sand später zwischen den Zehen für unangenehme Reibereien sorgen wird, tapfer mache mich ich auf zum Wasser – und siehe da, es ist tatsächlich deutlich wärmer als gedacht. Aber auch nicht soooo warm, dass ich das länger aushalten möchte, also wieder zurück auf meinen Platz in der Sonne. Der Strand ist überschaubar. Von einem Ende zum anderen sind es vielleicht 20 Minuten, wenn man sich Zeit lässt. Also schaue ich weiter auf das Wasser und versuche, die Stille in mir zu finden. Das fällt mir schwer, da gleichzeitig die Sonne auf mein Gesicht brennt und es nirgendwo Schatten gibt. Anfang Januar und ich bin akut von Sonnenbrand bedroht. So wird das nichts mit erbaulichem Nichtstun. Auch Koljas Gesicht färbt sich allmählich, wenn er auch eher direkt braun wird. Wir beschließen, in der berüchtigten Osteria, die in Sichtweite ist, einen Cappuccino zu trinken und dabei zu überlegen, was wir machen. Der nächste Zug fährt erst in knapp drei Stunden, das dauert ein bisschen zu lange für unseren Geschmack, vielleicht gibt es eine Alternative. Vor dem Zugang am Strand haben wir gesehen, dass es direkt dort eine Bushaltestelle gibt, allerdings ohne Fahrplan. Den suche ich im Strandcafé online über's Smartphone und tatsächlich gibt es einen Bus, der in gut anderthalb Stunden nach Siracusa fahren wird. Ich merke, dass jetzt, wo die Rückfahrt geregelt ist, auch ein bisschen mehr innere Entspannung kommt, zusammen mit dem Glückspilzgefühl, hier und jetzt am Meer zu sein. Geht doch :-).





Das ist toll!