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Agrigento - Im Tal der Tempel

  • maikebuchholz
  • 12. Feb. 2024
  • 5 Min. Lesezeit
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Es ist Zeit für den diesjährigen Höhepunkt unserer Reise: Die Fahrt nach Agrigento zu der Tempelanlage, damals zu Ehren der griechischen Götter angelegt und gebaut. Darauf freut sich vor allem Kolja, der ja als studierter Historiker der Antike und Grieche ehrenhalber ein besonderes Interesse hat. Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt: Ich freu‘ mich auch, bringe zwar nicht so viel Vorwissen mit, weiß aber, dass ich im entscheidenden Moment auf sein Wissen zurückgreifen kann und werde.

Dafür übernehme ich die Reiseplanung, und da mir der Überblick über die vielen verschiedenen Buslinien noch fehlt, entscheide ich mich ein weiteres Mal für Trenitalia, bisher immer unser zuverlässiger Begleiter auf allen Reisen auf der Insel. Die Verbindung ist ein bisschen komplizierter als sonst: Viermal umsteigen und dann sind wir in 5 Stunden und 18 Minuten in Agrigento. In Deutschland würde ich so eine Fahrt wohl eher nicht buchen. Zu ungewiss wären die Anschlüsse, zu groß der Ärger, wenn man irgendwo hängenbleiben würde. Das passiert uns hier nicht, da bin ich mir sicher. Also noch mal auf den Fahrplan geschaut, so sehen die Stationen aus. Siracusa – Catania-Airport – Dittaino – Caltanisetta-Xirbi – Canicatti - Agrigento. Bis Canicatti läuft alles reibungslos, die Anschlüsse sind alle pünktlich und größere Wartezeiten gibt es auch nicht. Über den Lautsprecher tönt nun vor der letzten Etappe, dass der Zug nach Agrigento um 20:10 kommt, und zwar auf Gleis 4. Wer italienische Bahnhöfe kennt, weiß, dass das alle paar Minuten wiederholt wird. Ein Zug fährt ein, wir besteigen ihn und ich simse einer Freundin, dass wir total super unterwegs sind und es bald geschafft haben. Wir lehnen uns in unseren Sitzen zurück, sind ein bisschen müde, schließlich haben wir heute auch noch gearbeitet, aber auch aufgeregt, was uns in Agrigento erwarten wird.

Eine gute halbe Stunde später hält der Zug planmäßig, wie uns scheint, ich schaue aus dem Fenster und sehe, dass wir zurück nach Caltanisetta gefahren sind. Ich bin irritiert und sage zu Kolja, dass hier etwas nicht stimmt. Hm. Ich mache mich auf die Suche nach dem Schaffner, finde ihn und frage, warum wir in die falsche Richtung gefahren sind. Er erklärt, dass wir im falschen Zug sitzen und die Bahn nach Agrigento von Gleis 2 abgefahren sei. Ich versuche mich innerlich zu beruhigen, sicherlich wird es noch einen weiteren Zug nach Agrigento geben, es ist doch erst viertel vor neun. Nein, bescheidet mich der Schaffner, das ist der letzte für heute, der nächste geht morgen früh, kurz vor sechs. Was? Ich sehe uns in einem unwirtlichen Wartesaal die Nacht verbringen, hungrig, verfroren. Mein Phantasie malt Bilder, die mir nicht gefallen. Es scheint, als habe der nette Bahnmensch die Panik in meinen Augen gesehen und meint, er schaue nach, ob es noch einen Bus gebe. Und siehe da, es gibt einen, kurz nach 21 Uhr, dieser fährt wieder nach Canicatti, dort könnten wir den Anschlussbus nach Agrigento bekommen. Wir steigen rasch aus mit unserem Gepäck, ein Kollege des Schaffners bringt uns persönlich zum Busbahnhof und zeigt uns den Abfahrtspunkt. Wir warten in der Dunkelheit, besonders gut beleuchtet ist es hier nicht. Mir ist nach weinen. Warum habe ich nicht doch noch mal in Canicatti gefragt, ob das auch wirklich der richtige Zug ist? Warum habe ich mich auf die Lautsprecherdurchsage verlassen? So geht das einige Minuten, dann entscheide ich mich, damit aufzuhören. Es ist jetzt wie es ist und siehe da, schon fährt der Bus ein. Ich frage den Fahrer, wo der Umsteigebus in Canicatti steht und er meint, dass wir nicht umsteigen müssen, da er dort dann einfach weiterfährt nach Agrigento. Perfekt! Fahrkarten können wir nicht bei ihm kaufen, dass müssen wir in Canicatti machen, bis dahin dürfen wir umsonst mitfahren. Habe ich schon erwähnt, dass ich die Italiener sehr mag? Wir finden einen schönen Platz im Bus und schaukeln durch die Nacht, immer in Kontakt mit unserem Pensionswirt, der auch geduldig bleibt und auf uns wartet, egal wann wir bei ihm ankommen.

Um viertel nach zehn sind wir – nur eine Stunde später als geplant -  an unserem Ziel, die Pension ist nur wenige Minuten vom Busbahnhof entfernt. Wir beschließen, noch etwas trinken zu gehen, um dem Tag einen netten Abschluss zu geben. Wir schauen uns an, wir prosten uns zu: Wir sind da.

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Am nächsten Morgen, ausgeruht und ausgeschlafen, sind wir schon gegen 9 Uhr unterwegs zum Ziel unseres Aufenthaltes – dem Tal der Tempel. Das Wetter ist wunderbar, warm, sonnig und trocken und so laufen wir die vier Kilometer hinunter ins Tal und werden verwöhnt mit wunderbaren Aussichten und den ersten blühenden Mandelbäumen. In der Ferne erblicken wir die ersten beiden Tempel, ich bin begeistert. Geschichte so nah und so gut erhalten zu sehen hat etwas Spirituelles, Heiliges. 

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Die Tempelanlage ist weitläufig, um so schöner, dass es mehrere Cafés gibt, die unaufdringlich verteilt sind, und in denen es sich gut Pause machen lässt. Daneben werden die Tempel umrahmt von einem großen Naturgarten, der unter anderem aus Oliven-, Maulbeer- und Mandelbäumen besteht. Wir schnuppern an den Mandelblüten, sie riechen intensiv und süß, besser als jedes Parfüm.

Nach knapp zwei Stunden haben wir alles gesehen, was es zu besichtigen gibt, und machen uns mit dem Bus zurück in die Stadt. Wir sind voller wunderbarer Eindrücke, lassen uns ein leichtes Mittagessen schmecken und fallen danach in unserem B&B auf’s Bett für eine zweistündige, dringend notwendige Mittagspause, bevor es am späten Nachmittag zu einer Runde durch das historische Zentrum von Agrigento geht. Wir lassen uns durch die Straßen treiben, auf der Suche nach der Kathedrale, machen kurz halt in einer Bar, trinken wie die Italiener fix einen Espresso im Stehen und Rekordtempo und folgen den Hinweisschildern Richtung Dom.

Diese führen uns schließlich zu einem meiner Endgegner – es geht bergauf und zwar über unzählige Treppen, ein Ende ist nicht absehbar, keiner weiß, ob wir da jemals oben ankommen werden. Während Kolja in Ruhe einen Schritt nach dem anderen geht, mache ich alle naslang Pause, lasse mich gerne ablenken, zum Beispiel von einer Gruppe Katzen, die sich gegenseitig das Revier streitig machen.

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Und schimpfe über die blöden Treppen, komme außer Atem, suggeriere mir das mega Herztraining, das mir eine Bombenkondition verschaffen wird. Endlich sind wir oben angekommen, bin immer noch verstimmt und gebe der Kirche nicht so richtig eine Chance. Außerdem sind wir dort außerhalb der Öffnungszeiten angekommen, eine Besichtigung fällt aus.

Immerhin, von nun an geht es nur noch bergab und wir genießen weitere schöne Ausblicke über die Dächer der Stadt. Es ist jetzt kurz nach halb sieben, noch ein bisschen zu früh für das schöne Abendbrot und so machen wir in der Nähe der Pension halt bei einer kleinen Bar und sitzen draußen unter einem riesigen Ficus mit imposanten Wurzeln, es riecht nach Zitronen und siehe da – da steht unweit von unserem Tisch ein Topf mit einem Zitronenbäumchen, an dem zwei Früchte hängen, unglaublich, dass sie so stark duften. Wieder einmal sind wir dankbar, jetzt und in diesem Moment hier auf Sizilien zu sein.

Ein Stündchen später machen wir uns auf den Weg in das Restaurant Sal’otto, laut Internet-Bewertungen eines der besten in ganz Agrigento. Wir sind für italienische Gepflogenheiten etwas zu früh dran, teilen dieses Schicksal allerdings mit anderen Touristen aus China, Amerika und Polen, werden sehr herzlich empfangen und essen einfach vorzüglich eine Variation aus verschiedenen Fisch und Meeresfrüchten, danach hausgemachte Pasta und zum Abschluss einen Espresso (den wir dann später in der Nacht bereuen werden). Unterm Strich: ein wunderbarer Abschluss eines wunderbaren Tages mit Bildern, Gerüchen und Stimmungen, die uns noch lange begleiten.

 
 
 

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